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BGH GS GS ST 1/51
(recht.urteil)
    

BGH, Beschluß d. Großen Senats in Strafsachen vom 11. 5. 1951 - GS St 1/51

a) Ein Dieb, der auf ordnungsmäßigem Wege in ein Gebäude gelangt und in eine geschlossene Abteilung dieses Gebäudes einsteigt, begeht i.S. des § 243 Nr. 2 StGB keinen Diebstahl aus einem Gebäude mittels Einsteigens, aber einen Diebstahl aus einem umschlossenen Raum mittels Einsteigens.

b) Ein Wohnwagen ist ein umschlossener Raum im Sinne des § 243 Nr. 2 StGB.

Aus den Gründen:

(...)

III. 1. Dagegen erscheint es angezeigt, die Rechtsbegriffe „umschlossener Raum” und „Behältnis” neu zu fassen und gegeneinander abzugrenzen. Das RG beruft sich für seine Auslegung auf die sprachliche Fassung verwandter Bestimmungen, vor allem der Nr. 3 und 7 des § 243 StGB, und insbesondere auf die Entstehungsgeschichte der Bestimmung.

Dem Hinweis auf die Nummern 3 und 7 kann jedoch entscheidende Bedeutung nicht beigelegt werden, weil die sprachliche Fassung des § 243 keineswegs so scharf, klar und eindeutig ist, daß sich aus gewissen sprachlichen Unebenheiten, die sich im Verhältnis der Vorschriften der Nummern 2, 3 und 7 zueinander zeigen, etwas Entscheidendes herleiten läßt. So ist die Anführung der „Türen” in Nummer 3 in jedem Falle überflüssig, mag man die Räume im Innern des Gebäudes als „umschlossene Räume” oder mit der bisher herrschenden Ansicht als „Behältnisse” ansehen. In Nr. 7 kam es aber dem Gesetzgeber ersichtlich darauf an, die bewohnten Raumgebilde zu schützen und alles hierher Gehörige in einer jeden Zweifel ausschließenden und in sich selbst verständlichen Weise zusammenzufassen. Deswegen zieht er hierher nur diejenigen umschlossenen Räume, die zu einem bewohnten Gebäude gehören, und die bewohnten Schiffe. Es kann deshalb nicht ohne weiteres angenommen werden, daß er den Sprachgebrauch dabei den übrigen Vorschriften des § 243 StGB ganz scharf angepaßt hat und auch nur hat anpassen wollen, bei denen der Schutz bewohnter Raumgebilde nicht der schlechthin beherrschende Grundgedanke ist.

Die Entstehungsgeschichte des § 243 Nr. 2 StGB ist im Urteil des RG, RGSt. 4, RGST Jahr 4 Seite 164, ausführlich wiedergegeben. (Wird ausgeführt mit Hinweis auf die entsprechende Vorschrift des Pr. StGB § 218 Nr. 2.)

Das RG folgert daraus, da man, ausgehend von der Beschränkung auf Gebäude, zuerst die zu Gebäuden gehörigen Hofräume und Gärten und schließlich umschlossene Räume, auch die nicht zu irgendeinem Gebäude gehörigen, als in dieser Hinsicht befriedete Orte erklärt habe, sei anzunehmen, daß man unter dem „umschlossenen Raume” etwas den Hofräumen „Analoges”, eben nur einen begrenzten Teil der Erdfläche, verstanden habe (RGSt. 4, RGST Jahr 4 Seite 164, RGST Jahr 4 Seite 166). - Dem kann nicht gefolgt werden.

Entscheidend ist, daß der schließlich in das Gesetz übergegangene Ausdruck „umschlossener Raum” seinem klaren Wortsinne nach in keiner Weise zum Ausdruck bringt, es seien nur solche Räume gemeint, die unmittelbar ein Stück Erdoberfläche umgrenzen, und daß darüber hinaus - wie sich noch zeigen wird - eine solche künstlich verengerte Auslegung dem Sinne und Zwecke der durch § 243 Nr. 2 gesetzten Strafschärfung nicht entsprechen würde. Demgegenüber können Erwägungen, die sich nur aus der keineswegs eindeutigen Entstehungsgeschichte der Vorschrift herleiten, keine ausschlaggebende Bedeutung haben.

2. Dem natürlichen Sprachgebrauch nach, den die Motive des Gesetzes ausdrücklich als maßgebend erklären, ist i.S. des § 243 Abs. 1 Nr. 2 StGB ein Gebäude: ein durch Wände und Dach begrenztes, mit dem Erdboden fest - wenn auch nur durch die eigene Schwere - verbundenes Bauwerk, das den Eintritt von Menschen gestattet und das Unbefugte abhalten soll;

ein Behältnis: ein zur Aufnahme von Sachen dienendes und sie umschließendes Raumgebilde, das nicht dazu bestimmt ist, von Menschen betreten zu werden;

ein umschlossener Raum: jedes Raumgebilde, das nicht Gebäude oder Behältnis in dem gerade erörterten Sinn ist, das (mindestens auch) dazu bestimmt ist, von Menschen betreten zu werden, und das mit (mindestens teilweise künstlichen) Vorrichtungen umgeben ist, die das Eindringen von Unbefugten abwehren sollen.

Für die Abgrenzung des Begriffs des umschlossenen Baumes gegenüber dem Behältnis, das rein sprachlich schließlich auch als umschlossener Raum bezeichnet werden könnte, bietet das Gesetz selbst das entscheidende Merkmal. Es geht, da es zwar ein Einbrechen und Einsteigen in Gebäude oder umschlossene Räume, aber nur ein Erbrechen von Behältnissen innerhalb von Gebäuden oder umschlossenen Räumen kennt, ersichtlich davon aus, daß man Behältnisse, weil sie nicht für Menschen zu betreten bestimmt sind, nur erbrechen, nicht aber in sie einbrechen oder einsteigen kann. Dem entspricht der allgemeine Sprachgebrauch, für den weder die Größe oder Kleinheit noch die Beweglichkeit oder Unbeweglichkeit des Raumgebildes das maßgebende Unterscheidungsmerkmal ist, sondern der unter Behältnissen in erster Linie diejenigen Raumgebilde versteht, die Sachen in sich aufnehmen, nicht aber von Menschen betreten werden sollen.

3. Diese Auslegung wird durchaus bestätigt, wenn man sich fragt, warum § 243 Nr. 2 StGB denjenigen Dieb, der entweder aus Gebäuden oder umschlossenen Räumen mittels Einbruchs oder Einsteigens oder aus Behältnissen, die sich in Gebäuden oder umschlossenen Räumen befinden, mittels Erbrechens dieser Behältnisse stiehlt, schwerer bestraft als den gewöhnlichen Dieb. Die in Gebäuden und umschlossenen Räumen oder in bestimmt gearteten Behältnissen befindlichen Sachen sollen den gegenüber § 242 StGB verstärkten Schutz des § 243 Nr. 2 ersichtlich deshalb genießen, weil der Gewahrsamsinhaber durch ihre Verwahrung in den Gebäuden oder Räumen oder Behältnissen seinen Willen zum Besitz und zur Sicherung der Sachen vor fremdem Zugriff in deutlicher und verkehrsüblicher Weise verstärkt zum Ausdruck bringt, der Gesetzgeber den so gekennzeichneten und gesicherten Gewahrsamsbereich in erhöhtem Maße als schutzwürdig ansieht, und weil der Dieb, der diesen Willen nicht achtet und die der Wegnahme entgegenstehenden Hindernisse durch Einbruch oder Einsteigen oder Erbrechen, also durch besondere Gewalt oder List und ohne Scheu vor dem erhöhten Rechtsfrieden des Ortes, überwindet oder beseitigt, dadurch eine stärkere verbrecherische Energie an den Tag legt und infolgedessen gefährlicher und strafwürdiger erscheint. Daß § 243 Nr. 2 auf diesem gesetzgeberischen Grundgedanken beruht, ist unbestritten (vgl. Schönke, 5. Aufl. S Anm. IV; Kohlrausch-Lange, 39/40. Aufl. Anm. III 2; Niethammer, Lehrb. Bes. T. 1950 S. 237; Busch, Anm. zu OLG Hamburg, SJZ 49, SJZ Jahr 1949 Seite 425, und Nagler, LeipzKom. 6./7. Aufl. Anm. I 1 b). Auch, das Reichsgericht hat bei der Erörterung von Einzelfragen den erhöhten Rechtsfrieden des Ortes, aus dem gestohlen wird, wie die erhöhte Energie und Gefährlichkeit des angewandten Mittels als den rechtfertigenden Grundgedanken anerkannt (RStG 32, 141, 143; 53, 262; 50, 73, 75).

Wenn es dafür noch eines weiteren Beweises bedürfte, so würde ihn der Gang der Vorarbeiten zu einem neuen Strafgesetzbuch geliefert haben. Der Entwurf von 1925 kennt an vergleichbaren Tatbeständen den Diebstahl unter Sicherungsbruch (§ 297 Nr. 1) und den Einbruch (§ 298 Abs. 1). Den ersten Tatbestand verwirklicht der Dieb, der eine Sache stiehlt, die durch ein verschlossenes Behältnis oder in anderer Weise gegen Wegnahme gesichert ist. Wegen Einbruchs wird bestraft, wer stiehlt, indem er in ein Gebäude oder eine Wohnung, einen Geschäftsraum, ein Schiff oder einen anderen umschlossenen Raum einbricht, einsteigt, sich darin verborgen hält, oder wer in den Raum mit einem falschen Schlüssel, einem Dietrich oder einem anderen nicht zur ordnungsmäßigen Eröffnung bestimmten Werkzeug eindringt. Die Vorschriften kehren in den §§ 329 Nr. 1 und 330 Nr. 1 der Entwürfe von 1927 und 1930 wieder. Die amtliche Begründung zur ersten dieser Vorschriften führt aus, die neue Fassung bringe den Grundgedanken, auf dem § 243 Nr. 2 des geltenden StGB beruhe, reiner als bisher zum Ausdruck. Zum Tatbestand des Einbruchs wird ausgeführt, der Einbrecher verdiene nicht nur um deswillen strengere Strafe, weil er besondere Vorrichtungen und Widerstände gegen die Wegnahme der Sachen überwinde. Die Bevölkerung fürchte ihn vor allem deshalb, weil seine Tat häufig zu blutigen Ausschreitungen führe. Der Schutz gegen Einbruch müsse sich auch auf alle Räumlichkeiten erstrecken, in die der Natur der Sache nach eingebrochen oder sonst eingedrungen werden könne und in denen der Dieb auf den Widerstand eines anderen stoßen könne. Es gehe deshalb nicht an, unter einem umschlossenen Raum nur einen Teil der Erdoberfläche zu verstehen. Das Einbrechen in eine Wohnung berge ganz die gleiche Gefahr, möge sich die Wohnung in einem Gebäude, einem Schiffe oder in einem Wohnwagen befinden. Auch könne es für die Strafbarkeit nicht von Bedeutung sein, ob der Täter in einem auf dem Lande stehenden Speicher oder in ein am Ufer liegendes unbewohntes Lastschiff eindringe. Die verbrecherische Energie, die Gefahr, mit einem Wächter zusammenzustoßen, sei in beiden Fällen gleich.

Der doppelte Gedanke des erhöhten Rechtsfriedens des Ortes, aus dem gestohlen wird, und der erhöhten Energie und Gefährlichkeit des angewandten Mittels liegt also nicht nur dem geltenden § 243 Nr. 2 StGB zugrunde, er sollte auch für das neue Recht beibehalten werden und noch klareren Ausdruck finden. Uni so weniger können Bedenken bestehen, daß er die Auslegung des § 243 Nr. 2 bestimmend beeinflußt, soweit es der Wortlaut nur immer gestattet.

Der erhöhte Rechtsfriede ist nun in gleicher Weise gegeben bei Gebäuden wie bei den im Gesetz bezeichneten Behältnissen wie bei jeder Art von umschlossenen Räumen im Sinne der dem natürlichen Sprachgefühl entsprechenden Begriffsbestimmung. Das Schiff und der Wohnwagen sind genau in derselben Weise stärker befriedet und darum ebenso schutzwürdig wie das Gebäude oder der eingehegte Obstgarten. Es wäre nicht sinnvoll, ihnen gegen diebisches Einbrechen und Einsteigen überhaupt keinen verstärkten Strafschutz zu gewähren. Und gegenüber dem gefährlicheren verbrecherischen Mittel des Einbrechens oder Einsteigens verdienen Zimmer, Mietwohnungen, abgeschlossene Keller oder Bodenräume u. dgl. keinen geringeren Schutz als Häuser oder Hofräume. Es wäre nicht sinnvoll, sie nur gegen Einbrechen, aber nicht gegen Einsteigen verstärkt zu schützen. Der gesetzgeberische Grundgedanke verlangt deshalb, daß auch sie gegen das Einsteigen geschützt werden. Dieses vom Gesetzeszweck geforderte Ergebnis wird durch eine den allgemeinen Sprachgebrauch beachtende Auslegung erreicht, die unter einem Behältnis nur ein zur Aufnahme von Sachen dienendes und sie umschließendes Raumgebilde versteht, das nicht dazu bestimmt ist, von Menschen betreten zu werden, und die beim umschlossenen Räume auf das von der reichsgerichtlichen Rechtsprechung geforderte, aber dem Sprachgebrauch fremde und den Zweck der Vorschrift teilweise vereitelnde Merkmal verzichtet, daß er ein Teil der Erdoberfläche sein müsse.

Diese Auslegung berücksichtigt, daß die wirtschaftliche Entwicklung, die sich seit dem Inkrafttreten des StGB vollzogen hat, den strafrechlichen Schutz abgeschlossener Räume oder Raumabteilungen im Innern von Gebäuden, aber auch beweglicher, jedoch gegen Diebstahl verstärkt geschützter Raumgebilde sehr viel dringlicher gemacht hat, als es etwa im Jahre 1871 oder gar 1851 der Fall war.

Daß auch diese Auslegung angesichts der kasuistischen und teilweise veralteten Gesamtfassung des § 243 StGB nicht alle Unbilligkeiten zu vermeiden vermag - so ist es z.B. ungereimt, daß die Gesamtwegnahme eines Wohnwagens unter einem milderen Strafrahmen steht als das Einbrechen oder Einsteigen in den Wohnwagen -, kann nicht dazu führen, eine Auslegung zu unterlassen, die wenigstens im Rahmen des nach dem Wortlaute des Gesetzes Möglichen eine gleichmäßigere Behandlung gleichliegender Tatbestände zur Folge hat. Da diese Auslegung in höherem Maße als bisher den Wortsinn beachtet, wäre es auch unzutreffend, sie als ausdehnend zu bezeichnen oder in ihr gar (verbotene) Analogie zu sehen.

Sie befindet sich endlich im Einklang mit der jetzt als herrschend zu bezeichnenden Meinung im Schrifttum, das abgeschlossene Abteilungen eines Gebäudes und Wohnwagens ebenfalls als umschlossene Räume im Sinne des (§ 243 Nr. 2 ansieht, so Gerland, S. 578/79; Welzel, Das Dt. StrafR in seinen Grundzügen, 1947, S. 158; Schönke, 5. Aufl. Anm. IV 1 b; Mezger, StrafR Bes. T., 1949, S. 111 (für die Räume eines Gebäudes, anders für Wohnwagen); Niethammer, Lehrb. Bes. T., 1950, S. 239 (für Wohnwagen, anders anscheinend für Teile eines Gebäudes), und in Olshausen, 12. Aufl. Anm. 4 zu § 2; Kohlrausch-Lange, 39./40. Aufl. Anm. III zu § 243; Nagler im LeipzKom. 6./7. Aufl. Anm. VI B 1 a; Eckstein, GoltdArch. 61, 79 ff.).

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