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BVerwG Urteil v. 07.09.1989 (Az. 7 C 4/89), gekürzt
(recht.urteil)
    

(...)

Sachverhalt:
Die Beteiligten stritten darüber, ob der Kl. als Kreisrätin eine Verdienstausfallentschädigung insbesondere für die Teilnahme an Sitzungen des Kreisrats des bekl. Landkreises zusteht. Die Kl. ist (...) Inhaberin eines Ladengeschäfts für Naturkosmetik, das sie allein betreibt. Als Kreisrätin des bekl. Landkreises erhält sie (...) für jeden Sitzungstag eine Entschädigung bei Teilnahme an der Sitzung von 70 DM zuzüglich Kilometergeld nach den reisekostenrechtlich festgesetzten Sätzen. Eine Verdienstausfallentschädigung für (...) selbständig Tätige (...) sieht die Satzung nicht vor. Lohn- und Gehaltsempfänger [erhalten] nach § 1 III der Satzung Ersatz für den durch die Teilnahme an der Kreistags- oder Ausschußsitzung entgangenen Lohn oder das entgangene Gehalt in voller Höhe. Mit Schreiben (...) bat die Kl. den Landrat zu veranlassen, daß ihr im Wege einer Änderung der Satzung ein Verdienstausfallentschädigung zugesprochen werde. (...) In seiner Sitzung (...) empfahl der Kreisausschuß dem Kreistag mit 8 : 3 Stimmen, diesen Antrag abzulehnen. Mit Beschluß (...) lehnte der Kreistag den Antrag mehrheitlich ab. Die Kl. erhob hiergegen Klage, die das VG abwies. Die Berufung der Kl. wies der VGH zurück. Die dagegen gerichtete Revision der Kl. hatte Erfolg.

Gründe:
II. (...) Der VGH geht in Anwendung von Landesrecht, nämlich des Art. 14a II Nr. 2 BayLKO davon aus, daß es im Entscheidungsermessen des bekl. Landkreises liegt, ob für die der Kl. wegen ihres Mandats als Kreisrätin entstehende Zeitversäumnis durch Satzung eine Verdienstausfallentschädigung vorgesehen wird. Diese Auslegung ist unvereinbar mit dem Gleichheitssatz (Art. 3 I GG) und verletzt die Kl. in ihren Rechten. Art 14a II Nr. 2 BayLKO läßt eine verfassungskonforme Auslegung dahin zu, daß die von dem Bekl. erlassene Satzung zur Entschädigung ehrenamtlich tätiger Kreisräte und sonstiger Kreisbürger vom 14. 5. 1984 - Entschädigungssatzung - durch eine dem Gleichheitssatz Rechnung tragende Regelung zu ergänzen ist (1). Wegen des von der Kl. erhobenen Anspruchs auf Zahlung von Verdienstausfallentschädigung, der sich nach Maßgabe der durch den Bekl. zu ändernden Satzung bestimmt, wird der Rechtsstreit an den VGH zurückverwiesen (2).

1. Mit ihrem Feststellungsantrag macht die Kl. sinngemäß geltend, in ihren Rechten dadurch verletzt zu sein, daß in der Entschädigungssatzung des Bekl. keine Verdienstausfallentschädigung nach Art. 14a II Nr. 2 BayLKO vorgesehen ist. Dieser Antrag ist zulässig und begründet.

a) Der Zulässigkeit der Klage steht nicht entgegen, daß sie sich mit dem Vorbringen, das Fehlen einer die Kl. begünstigenden Entschädigungsregelung sei verfassungswidrig und verletze diese in ihren Rechten, gegen den Bekl. als Satzungsgeber richtet und - hier in der Form der Feststellung - einen Anspruch aus höherrangigem Recht auf Satzungsergänzung, also auf Rechtsetzung geltend macht. Die Kl. kann sich hierfür auf Art. 19 IV GG berufen. Rechtsschutz gewährleistet das Grundgesetz nicht nur gegen die mit höherrangigem Recht unvereinbaren Rechtsetzungsakte des - im Rang unterhalb des parlamentarischen Gesetzgebers stehenden - Normgebers, es schließt Rechtsschutz auch gegen ein mit höherrangigem Recht unvereinbares normgeberisches Unterlassen ein (BVerwGE 80, 355 (361) = NJW 1989, 1495 = NVwZ 1989, 648 L = NZA 1989, 364). Ob die Gewährleistung des Art. 19 IV GG bei förmlichen Gesetzen, die dem Entscheidungsmonopol der Verfassungsgerichtsbarkeit unterliegen, eine Einschränkung erfährt, kann offenbleiben. Der kommunale Satzunggeber ist jedenfalls in gleicher Weise wie der Verordnungsgeber und sonstige normsetzende Träger öffentlicher Gewalt dem in Art. 19 IV GG verbürgten Rechtsschutz unterworfen. Seine Legitimation durch Wahlen ändert hieran nichts.

Über das Feststellungsbegehren der Kl. ist im Instanzenzug nach §§ 45, 46 VwGO zu entscheiden; es unterfällt nicht der verwaltungsgerichtlichen Normenkontrolle nach § 47 VwGO. Eine in Rechtsprechung und Schrifttum gelegentlich erörterte - und zum Teil auch befürwortete - analoge Anwendung von § 47 VwGO auf Klagen, die sich gegen ein normgeberisches Unterlassen richten, kommt nicht in Betracht. Die den Oberverwaltungsgerichten überantwortete Kontrollzuständigkeit zur abstrakten Überprüfung der in § 47 I VwGO aufgeführten untergesetzlichen Rechtsvorschriften mag Anlaß zu der rechtspolitischen Fragestellung geben, ob es prozessual sinnvoll ist, die Erklärung der Ungültigkeit von Normen dem OVG vorzubehalten, für die gerichtliche Entscheidung über die Verpflichtung zum Erlaß von Normen dagegen von einer solchen Verfahrenskonzentration abzusehen. Für das geltende Verfahrensrecht hat diese Fragestellung keine Bedeutung. Die gesetzliche Zuständigkeitsregelung des 6. Abschnitts der VwGO weist insoweit weder ein Argument gegen die Klagemöglichkeit bei normgeberischem Unterlassen noch eine durch Analogie zu schließende Lücke auf (vgl. BVerwGE 80, 355 (361 ff.) = NJW 1989, 1495 = NVwZ 1989, 648 L = NZA 1989, 364).

Der Revision ist darin zuzustimmen, daß zwischen den Beteiligten ein feststellungsfähiges Rechtsverhältnis i. S. des § 43 I VwGO besteht. Der Status der Kl. als Kreisrätin begründet gegenüber dem Bekl. ein konkretes, durch Art. 14a II BayLKO geregeltes Rechtsverhältnis. Diesem Rechtsverhältnis entspringt die Verpflichtung des Bekl., durch den Erlaß einer Entschädigungssatzung Ersatzleistungen für die zur Wahrnehmung des Kreisratsamtes notwendige Teilnahme an Sitzungen, Besprechungen und anderen Veranstaltungen vorzusehen. Die Kl. hat ein berechtigtes Interesse an der baldigen Feststellung, ob ihr hieraus der Anspruch auf eine Regelung erwächst, nach der sie von dem Bekl. Verdienstausfallentschädigung verlangen kann.

Der Einwand der Subsidiarität von Feststellungsklagen nach § 43 II VwGO greift nicht durch. Die begehrte Feststellung wird weder durch die zugleich erhobene Zahlungsklage noch dadurch ausgeschlossen, daß anstelle des geltend gemachten Feststellungsbegehrens eine Leistungsklage, gerichtet auf Normerlaß in Form einer die Kl. begünstigenden Änderung der Entschädigungssatzung, zu erheben wäre. Die Regelung des § 43 II VwGO soll unnötige Feststellungsklagen vermeiden, wenn für die Rechtsverfolgung eine andere sachnähere und wirksamere Klageart zur Verfügung steht (BVerwG, NJW 1986, 1826; BVerwG, NVwZ 1987, 216 = HFR 1988, 476). Was den von der Kl. erhobenen Zahlungsantrag betrifft, so ist dieser Grundsatz schon darum nicht berührt, weil einem Anspruch auf Zahlung von Verdienstausfallentschädigung gerade nicht unmittelbar gerichtlich zum Erfolg verholfen und damit auf die begehrte Feststellung verzichtet werden kann. Der Zahlungsanspruch bedarf noch einer Rechtsgrundlage, die in der Gestalt einer die beanspruchte Verdienstausfallentschädigung regelnden Satzungsnorm zuerst einmal geschaffen werden muß. Die Zahlungsklage baut prozessual wie sachlichrechtlich darauf auf, daß in Erfüllung der festzustellenden Verpflichtung die Entschädigungssatzung zugunsten der Kl. geändert wird, und vermag daher die begehrte Feststellung nicht zu ersetzen. Gegenüber einer auf Normerlaß gerichteten Leistungsklage tritt die Feststellungsklage gleichfalls nicht zurück. Das Rechtsschutzbegehren der Kl. kommt wirksam zur Geltung, ohne daß es prozessual in das Gewand einer einklagbaren „Leistung“ des Satzungsgebers gekleidet wird. Überdies entspricht die Form des Feststellungsbegehrens eher dem im Gewaltenteilungsgrundsatz begründeten Gedanken, daß auf die Entscheidungsfreiheit der rechtsetzenden Organe gerichtlich nur in dem für den Rechtsschutz des Bürgers unumgänglichen Umfang einzuwirken ist.

b) Das Grundrecht der Kl. aus Art. 3 I GG, das Gleichheit vor dem Gesetz verbürgt, gebietet dem Bekl., seine Entschädigungssatzung so zu gestalten, daß die Kl. in dem durch Art. 14a II Nr. 2 BayLKO gezogenen rechtlichen Rahmen eine Verdienstausfallentschädigung erhält. Das beruht auf folgenden Erwägungen:

(...)

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