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LG Hamburg v. 5.12.2005 Az. 324 O 721/05
(it.recht.urteil)
    

Landgericht Hamburg

Urteil

Geschäfts-Nr.: 324 O 721/05

Tatbestand

Die Parteien streiten über den Bestand der einstweiligen Verfügung der Kammer vom 20. September 2005, durch die der Antragsgegnerin verboten worden ist, Forumsbeiträge zu verbreiten, in denen dazu aufgefordert wird, durch massenhafte Downloads des Programms "k.exe" den Server-Betrieb der Antragsteller zu stören.

Die Antragstellerin zu 1., deren Geschäftsführer der Antragsteller zu 2. ist, betreibt ein Unternehmen, das Internetdienstleistungen anbietet. Die Antragsgegnerin unterhält einen Internetauftritt. Dort verbreitet sie Beiträge u.a. zu Themen, die das Internet betreffen. Zu einigen dieser Beiträge richtet sie Internetforen ein, auf denen Internetnutzer sich zum Inhalt dieser Beiträge äußern können.

In einem ihrer Beiträge befasste sich die Antragsgegnerin mit dem von den Antragstellern über das Internet zum Download von ihrem Server angebotenen Programm "k.exe". Dieses enthält, obwohl es Interessenten wegen anderer Funktionen angeboten wird, ein Programm, das das Internet nach frei gewordenen Domainnamen durchsucht, indem es vergebene Domainnamen aufruft und prüft, ob diese noch genutzt werden oder ob sie wieder verfügbar sind. Nutzer, die dieses Programm von den Antragstellern beziehen, werden von diesen nicht darauf hingewiesen, dass das Programm diese Funktion enthält. Die beschriebene Funktion wird unter Mitteilung der Ergebnisse an die Antragsteller von den Datenverarbeitungsanlagen der Abnehmer des Programms ,"k.exe" ausgeführt, ohne dass diese davon Kenntnis erlangen. Dies wurde in dem Beitrag der Antragsgegnerin kritisiert.

In dem von der Antragsgegnerin zu ihrem Beitrag eingerichteten Forum meldeten sich mehrere Internetnutzer, die dazu aufriefen, das Programm "K.exe" so häufig vom Server der Antragsteller herunterzuladen, dass dieser Server überlastet wird und ausfällt.

Dies mochten die Antragsteller nicht hinnehmen. Nachdem sie die Antragsgegnerin ergebnislos abgemahnt hatten, erwirkten sie die einstweilige Verfügung der Kammer vom 20. September 2005, gegen die sich der Widerspruch der Antragsgegnerin richtet.

Die Antragsgegnerin hält ihr Verhalten für rechtmäßig. Der Antragsteller zu 2. sei als bloßer Geschäftsführer der Antragstellerin zu 1. ohnehin nicht von den Aufrufen im Internet betroffen. Das Geschäftsgebaren der Antragsteller sei in höchstem Maße unredlich und tadelnswert, indem sie in dem von ihnen angebotenen Programm eine Funktion verborgen hielten, die anderer Leute Einrichtungen für sie arbeiten ließe, ohne dass ihre Kunden das bemerkten. Das rechtfertige es, zum Widerstand gegen diese Geschäftspraktiken aufzurufen. Auf die Inhalte, die auf ihre Foren eingestellt würden, könne sie schon wegen der überaus großen Zahl an Einträgen keinen Einfluss nehmen. Diese Inhalte mache sie sich auch nicht zueigen.

Die Antragsgegnerin beantragt,

die einstweilige Verfügung aufzuheben und den zu Grunde liegenden Antrag zurückzuweisen.

Die Antragsteller beantragen,

die einstweilige Verfügung zu bestätigen.

Die Antragsteller halten ihre Vorgehensweise für legitim, jedenfalls aber die Verbreitung der angegriffenen Aufrufe über von der Antragsgegnerin unterhaltene Internetforen für rechtswidrig.

Wegen der Einzelheiten wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

I. Die einstweilige Verfügung war zu bestätigen, weil sich der geltend gemachte Unterlassungsanspruch auch unter Berücksichtigung des Vorbringens der Antragsgegnerin im Widerspruchsverfahren als begründet erweist.

Den Antragstellern steht der geltend gemachte Anspruch zu aus §§ 823 Abs. 1, 1004 Abs. 1 Satz 2 BGB analog, denn die Verbreitung der angegriffenen Forumsbeiträge durch die Antragsgegnerin verletzt bei fortbestehender Wiederholungsgefahr die Antragsteller in ihrem Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb.

1. Das Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb ist ein sonstiges Recht im Sinne des § 823 Abs. 1 BGB, das über diese Norm deliktischen Schutz vor spezifisch betriebsbezogenen Eingriffen genießt (BGH, Urt. V. 29. 1. 1985, NJW 1985, S. 1620 f., 1620).

Dieses Recht steht auch dem Antragsteller zu 2.) zu, da die über das Forum der Antragsgegnerin verbreiteten Aufrufe auch darauf abzielen, die von ihm als Geschäftsführer der Antragstellerin zu 1 .) ausgeübte Tätigkeit zu beeinträchtigen.

Der Aufruf an die Allgemeinheit, durch eine genau bezeichnete Maßnahme - das Herunterladen eines bestimmten Computerprogramms - den Server der Antragsteller außer Betrieb zu setzen, bildet einen solchen Eingriff in den eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb der Antragsteller.

Betriebsbezogen ist dieser Eingriff, weil in dem Forum der Antragsgegnerin gerade dazu aufgerufen wird, die technischen Grundlagen, auf denen der Betrieb der Antragsteller beruht, physisch zu beeinträchtigen.

2. Zur Unterlassung solcher Eingriffe ist nach § 1004 Abs. 1 BGB (analog) jede Person verpflichtet, von der eine Störung der beschriebenen Art ausgeht.

Störer ist danach auch die Antragsgegnerin.

Denn sie hat über das von ihr eingerichtete und unterhaltene Internetforum die unzulässigen Blockadeaufrufe verbreitet.

Für die Störereigenschaft reicht - wie sich auch aus den Normen der §§ 186 StGB oder 824 BGB ergibt - das bloße Verbreiten einer unzulässigen Äußerung aus; dass der Verbreiter selbst hinter den rechtswidrigen Inhalten steht oder sie gar verfasst hat, ist danach nicht erforderlich.

Die Störereigenschaft entfällt nicht deswegen, weil es der Antragsgegnerin unmöglich wäre, auf den Inhalt des von ihr eingerichteten Forums Einfluss zu nehmen.

Technisch ist ihr eine solche Einflussnahme im Grundsatz ohne Weiteres möglich, da sie ihr Forum in der Weise einrichten kann, dass die Einträge vor ihrer Freischaltung auf die rechtliche Zulässigkeit ihres jeweiligen Inhalts geprüft werden.

Zu einer solchen Prüfung der Inhalte, die sie über ihren Internetauftritt verbreitet, ist die Antragsgegnerin auch verpflichtet.

Denn diejenige Person, die Einrichtungen unterhält, über die Inhalte in pressemäßiger Weise verbreitet werden, muss Vorkehrungen dahingehend treffen, dass über diese Einrichtungen keine rechtswidrigen Inhalte verbreitet werden (s. z.B. BGH, Urt. V. 8. 7.1980, GRUR 1980, S. 1099 ff., 1104).

Das gilt auch für diejenigen Unternehmen, die Inhalte über das Internet verbreiten.

Insbesondere gelten die im Mediendienstestaatsvertrag oder im Teledienstegesetz vorgesehenen Haftungsprivilegien für Internetauftritte nicht für die Verantwortlichkeit des zur Unterlassung verpflichteten Störers nach § 1004 BGB analog (BGH, Urt. V. 11. 3. 2004, GRUR 2004, S. 860 ff., 863 f.).

Eine Grenze der Verantwortlichkeit mag sich in besonderen Fallkonstellationen zwar daraus ergeben, dass eine Kontrolle der verbreiteten Inhalte dem Verbreiter nicht zumutbar ist.

So soll der Verleger eines Publikationsorgans nicht in jedem Fall für rechtswidrige Inhalte von in seinem Publikationsorgan veröffentlichten Leserbriefen oder Werbeanzeigen verantwortlich sein, insbesondere dann, wenn er die Rechtswidrigkeit des Inhalts des Leserbriefes oder der Werbeanzeige auch bei Kenntnis dieses Inhalts nur schwer erkennen kann, weil es dazu der Kenntnis weiterer Vorgänge bedarf (BGH, Urt. V. 27. 5. 1986, NJW 1986, S. 2503 ff., 2503, 2505; BGH, Urt. V. 7. 5. 1992, GRUR 1992, S. 618 f., 619).

Eine diesen Fallkonstellationen vergleichbare Sachlage ist hier indessen schon deswegen nicht gegeben, weil sich der Antragsgegnerin die Rechtswidrigkeit eines Blockadeaufrufs schon bei Kenntnisnahme von dessen Inhalt allein geradezu hätte aufdrängen müssen, indem bereits ein reiner Boykottaufruf grundsätzlich rechtswidrig ist (BGH, Urt. V. 29. 1. 1985, NJW 1985, S. 1620 f., 1620) und der Aufruf, Betriebsmittel eines Unternehmens durch aktives Tun zu stören, noch deutlich darüber hinausgeht.

Eine Einschränkung der Verantwortlichkeit der Antragsgegnerin für Inhalte, die über das von ihr eingerichtete und unterhaltene Internetforum verbreitet werden, ergibt sich auch nicht daraus, dass es der Antragsgegnerin aufgrund der - zu ihren Gunsten unterstellten - Vielzahl der Einträge in die von ihr unterhaltenen Foren unmöglich wäre, alle Einträge vor einer Freischaltung - wie dies vor pressemäßiger Verbreitung von Äußerungen grundsätzlich erforderlich ist (s. etwa BGH, Urt. V. 18. 12. 1962, NJW 1963, S. 484 f., 485) - durch einen im Sinne von 531 BGB verantwortlichen Mitarbeiter prüfen zu lassen.

Die Kammer hat schon erhebliche Zweifel daran, dass die Vielzahl der verbreiteten Einträge allein überhaupt einen Grund dafür abgeben kann, den Verbreiter von seiner Verantwortlichkeit zu befreien.

Denn wer Betriebsmittel bereit hält, die es ihm erlauben, über ein redaktionell gestaltetes Angebot in riesenhafter Anzahl Äußerungen zu verbreiten, unterhält damit eine Gefahrenquelle, indem er einer unbestimmten Vielzahl von Nutzern gerade damit die Möglichkeit eröffnet, in großer Zahl Äußerungen zu verbreiten, die geeignet sind, Rechte Dritter zu verletzen.

Ein allgemeiner Grundsatz, dass derjenige, der eine besonders gefährliche Einrichtung unterhält, wegen deren Gefährlichkeit von eventuellen Haftungsrisiken freigehalten werden müsste, existiert nicht; die Tendenz geht im Gegenteil vielmehr dahin, dass derjenige, der eine Einrichtung unterhält, von der wegen ihrer schweren Beherrschbarkeit besondere Gefahren ausgehen, einer verschärften Haftung unterworfen wird (s. z.B. für den Bereich des Schadensersatzrechts die Fälle der Gefährdungshaftung wie § 7 StVG, § 833 Satz 1 BGB, § 84 Ameimittelgesetz).

Wenn die Antragsgegnerin ein Unternehmen betreibt - und das Bereithalten von Internetforen stellt eine solche Form untemehmerischen Betriebs dar -, das in großer Zahl Einträge über solche Foren verbreitet, muss sie ihr Unternehmen daher so einrichten, dass sie mit ihren sachlichen und personellen Ressourcen auch in der Lage ist, diesen Geschäftsbetrieb zu beherrschen.

Wenn die Zahl der Foren und die Zahl der Einträge so groß ist, dass die Antragsgegnerin nicht Über genügend Personal oder genügend technische Mittel verfügt, um diese Einträge vor ihrer Freischaltung einer Prüfung auf ihre Rechtmäßigkeit zu unterziehen, dann muss sie entweder ihre Mittel vergrößern oder den Umfang ihres Betriebes - etwa durch Verkleinerung der Zahl der Foren oder Limitierung der Zahl der Einträge - beschränken.

Insoweit kann für ein Unternehmen, dessen Geschäftsbetrieb in der Unterhaltung eines Internetauftritts liegt, nichts anderes gelten als für alle anderen Unternehmen auch.

Alles dies bedarf indessen keiner abschließenden Erörterung.

Denn eine Einschränkung der Verantwortlichkeit für denjenigen, der Äußerungen oder Angebote über das Internet verbreitet, kommt jedenfalls dann nicht in Betracht, wenn der Verbreiter aufgrund der Art seines Angebots selbst Anlass zu der Annahme haben muss, dass dieses von Nutzern zu Zwecken der Verletzung von Rechten Dritter gebraucht wird (BGH, Urt. V. 11.3.2004, GRUR 2004, S. 860 ff., 864; s. auch jüngst Hans. OLG, 5. ZS., Urt. V. 8. 2. 2006, 5 U 78105, unter II1. C. der Gründe).

Jedenfalls das war hier der Fall.

Denn die Antragsgegnerin hatte zu ihrem Beitrag, in dem sie das Verhalten der Antragsteller beanstandet hatte, ein Forum eröffnet, und aufgrund der in ihrem eigen Beitrag geübten harten Kritik an dem Verhalten der Antragsteller musste sie jedenfalls damit rechnen, dass Nutzer, die Beiträge in dieses Forum einstellen würden, dabei "über die Stränge schlagen" und die Gelegenheit nutzen würden, gerade an dieser Stelle, die durch die Veröffentlichung der Antragsgegnerin einen hohen Aufmerksamkeitswert genoss, zu rechtswidrigen Aktionen gegen die Antragsteller aufzurufen.

Jedenfalls dann, wenn, wie bei einer solchen Sachlage, der Verbreiter damit rechnen muss, dass das von ihm den Nutzern zur Verfügung gestellte Angebot missbraucht werden wird, muss er wirksame Vorkehrungen treffen, um einen solchen Missbrauch zu vermeiden, und solche Vorkehrungen können hier nur darin bestehen, dass die eingehenden Beiträge vor ihrer Freischaltung geprüft werden.

3. Die Verbreitung der Forumsbeiträge war auch rechtswidrig. Verletzungen des Rechts am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb durch Verbreitung von Äußerungen können zwar gerechtfertigt sein, wenn der Verbreiter sich insoweit auf die Wahrnehmung berechtigter Interessen oder sonstige überwiegende Interessen, die sich aus der über Art. 5 Abs. 1GG grundrechtlich geschützten Meinungsfreiheit ergeben können (BGH, Urt. V. 29.1.1985, NJW 1985, S. 1620 f., 1620), berufen kann.

Das war hier indessen nicht der Fall.

Der Antragsgegnerin ist allerdings zuzugeben, dass das Geschäftsmodell der Antragsteller, das sie in ihrem Beitrag kritisiert hatte, als in hohem Maße fragwürdig erscheint.

Jedenfalls steht es außer Frage, dass es im Lichte des Grundrechts aus Art. 5 Abs. 1Satz 1 GG in scharfer Form kritisiert werden darf.

Auf dieses Grundrecht darf die Antragsgegnerin sich auch hinsichtlich der über ihr Forum verbreiteten Beiträge berufen, denn Art. 5 Abs. 1GG schützt auch die bloße Verbreitung von gedanklichen Inhalten.

Auch die Grundrechte aus Art. 5 Abs. 1 GG gewährleisten aber, wie Art. 5 Abs. 2 GG ausdrücklich sagt, kein schrankenloses Recht zur Verbreitung von Äußerungen aller Art.

Das Recht zur freien Meinungsäußerung findet seine Grenzen jedenfalls da, wo Rechte anderer in einem Ausmaß betroffen werden, das der Durchsetzung des eigenen Standpunktes - oder des Standpunktes desjenigen, dessen Ansichten verbreitet werden - nicht mehr adäquat ist.

Das ist dann der Fall, wenn die Äußerung darüber hinausgeht, das beanstandete Verhalten öffentlich zu kritisieren, sondern weitergehend dazu aufruft, den Geschäftsbetrieb des Kritisierten physisch zu stören, wie das typischerweise bei einem Boykottaufruf der Fall ist (BGH, Urt. V. 29. 1. 1985, NJW 1985, S. 1620 f., 1620).

Im vorliegenden Fall gingen die von den Antragstellern angegriffenen Äußerungen sogar noch über einen solchen Boykottaufruf hinaus, indem in den Forumsbeiträgen dazu aufgerufen wurde, die Betriebsmittel der Antragsteller durch aktives Tun außer Betrieb zu setzen.

Mit einem solchen, von einzelnen Forumsnutzern geforderten Verhalten wird tief in grundrechtlich geschützte Bereiche der Antragsteller eingedrungen, indem es die Antragsteller in der Ausübung ihrer Grundrechte aus Art. 14 Abs. 1 und Art. 12 Abs. 1 GG beeinträchtigt.

Die Ausübung eines solchen gezielt betriebsstörenden Verhaltens ist aber schon deswegen kein adäquates Mittel mehr, um dem Standpunkt der Forumsteilnehmer Geltung zu verschaffen, weil mit der Maßnahme, zu der aufgerufen wird, nicht nur das beanstandete Verhalten der Antragsteller unterbunden, sondern ihr gesamter Gewerbebetrieb lahm gelegt werden soll.

Jedenfalls die Verbreitung von Aufrufen zu derartigen Störungen ihres Unternehmens braucht die Antragsteller nicht zu dulden.

4. Die Wiederholungsgefahr ist nach den allgemeinen Grundsätzen (BGH, Urt. v. 8.2.1994 NJW 1994, S. 1281 ff, 1283) aufgrund der mit der Verbreitung der angegriffenen Forumseinträge durch die Antragsgegnerin erfolgten Rechtsverletzung indiziert.

II. Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 ZPO.

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